Berlin, Heizhaus der Uferstudios, 1.-30. September 2017

Wer krank ist, besorgt sich was: menschliche Hilfe, institutionelle Unterstützung oder Substanzen. Pharmazie befasst sich mit Drogen, heilenden und giftigen. Wer müde ist von zu viel Wirklichkeit, geht vielleicht trippen auf Pilzen, nimmt den Zaubertrank der Ayahuasca, oder geht ins Theater. Pharmakon ist der altgriechische Name all dessen, Heilmittel, Gift, Zaubermittel. Pharmakos ist das Opfer, ein Sündenbock. Gerade noch zur selben Zeit, in der das Theater entstand, wurden im Süden Europas Menschen ritualisiert geopfert, präventiv oder wenn etwas schief ging. Damit blieb die gesellschaftliche Ordnung intakt. Heute befinden wir uns am Ende des Zeitalters des Menschen: Kybernetik und Robotik, Postkolonialismus, Queer Theory, New Materialism, Theorien und Praktiken dazu haben viele Namen. Vier Wochen lang feiern wir den Menschen als Sündenbock, als Pharmakos, der immer schon Pharmakon, also Gift und Heilung zugleich war. Dafür realisieren wir gemeinsam mit vier künstlerischen Positionen eine Elegie. In vier Wochen kommen vier Strophen der Elegie je donnerstags zur Aufführung. Am Dienstag ist Tag der Pharmakofictions: mit Lecture-Performances, Ritual und Gesprächen. Wir beginnen mit einem Opferfest, feiern Rosh Hashana und schließen mit einem ganz und gar nicht kirchlichen Erntedankfest. Mit Pharmakos/n beenden wir diese Serie an Apparaten, in die wir Sie einladen, gemeinsam mit uns Visionen wirklich werden zu lassen.

Wir haben 2014 mit einem Lob der Illusion begonnen, mit einer Hymne an Pilze und Mykorrhiza. Weiter ging es 2015 mit Resonanz, Resilienz und Persistenz von Materie, auch von Dingen, die wir herstellen und hinterlassen. „DRECK: EIN APPARAT“ war dirty und glamourous, ein unfreiwilliges Archiv und Manifest für ein ‚Neues Materialistisches Theater’. Beide Apparate handelten von Ökologien des Theaters, von der Aktivität von Materie, sei sie von Menschen gemacht oder nicht. Der dritte Apparat, den wir in der zweiten Jahreshälfte 2017 in den Berliner Uferstudios realisieren werden, widmet sich nun dem Menschen in seiner ambivalenten Position als Ding unter Dingen, als historischem Konstrukt des Humanismus, als säkularer Rest der ‚Krone der Schöpfung‘ und als Agent einer besseren Darstellung von Wirklichkeit. Wir nähern uns dem Menschen über die schillernde Figur des ‚Pharmakós‘ und der ambivalenten Bedeutung von ‚pharmakón‘. Im Sündenopfer des ‚Pharmakós‘ wird der Mensch zum ‚pharmakón‘. Wir befassen uns mit diesem Umschlagpunkt anhand der humanistischen Erzählung. Diese besingen wir in einer Elegie, feiern und verabschieden es und stiften so einen Raum für ein anderes Narrativ.


1. September 2017, 20.30 Uhr
PHARMAKOS: OPENING
mit einer Lecture von Georg Dickmann, einem Fest und Musik

5. September 2017, 20.30 Uhr
Pharmakofiction von apparatus

7. September 2017, 20.30 Uhr
Elegie (I) von Anta Helena Recke und Julia*n Meding

12. September 2017, 20.30 Uhr
Pharmakofiction von Melanie Jame Wolf

14. September 2017, 20.30 Uhr
Elegie (II) von Hacklander\Hatam

20. September 2017, 20.30 Uhr
Pharmakofiction von Ariel Efraim Ashbel and friends

21. September 2017, 20.30 Uhr
Elegie (III) von Hysterisches Globusgefühl

26. September 2017, 20.30 Uhr
Pharmakofiction von Florian Feigl

28. September 2017, 20.30 Uhr
Elegie (IV) von Sara Mikolai & Tara Transitory

30. September 2017, 20.30 Uhr
PHARMAKON: THANKS-GIVING
mit den beteiligten Künstler*innen
und Somatopharmaka von Daniel Bernhard Cremer
 

Lecture von Georg Dickmann